Am Ende der Informationsveranstaltung zum Bürgerwindpark Heckengäu (BWH) herrschte Aufbruchstimmung im Haus am Rankbach. Trotz über 100 Stühlen mussten viele Besucher noch mit einem Stehplatz vorliebnehmen. Und hinter dem Titel „Bürger können Windpark?!“ war das Fragezeichen verschwunden, denn viele Fragen wurden für die Anwesenden geklärt, so schloss Alexander Kressner die Veranstaltung.

Was hat die große Politik und die Genehmigungsbehörde gelernt?

„Die CDU hat in den vergangenen Jahren gelernt, dass die Energiewende hin zu Erneuerbaren Energien absolut dringend ist!“ Mit Ihrem Grußwort eröffnete Sabine Kurtz, Staatssekretärin und Landtagsabgeordnete der CDU, die Reihe der Beiträge in der Veranstaltung. Sie fand den Ansatz der BWH gut, denn die Planung und Errichtung der WEA und die Vermarktung des Stroms erfolge mit eigener Entscheidungsmacht und auf eigene Rechnung der Bürger. Auch Tobias Bacherle, Bundestagsabgeordneter von Bündnis90/Die Grünen sah es als vorteilhaft an, wenn eine große Zahl der Bürger von den Windrädern vor Ort finanziell profitiere. Der Erste Landesbeamte im Landkreis Böblingen, Martin Wuttke, betonte: „Wenn man die Bürger in Sachen Windenergie mitnehmen möchte, dann muss man ihnen die Möglichkeit bieten, diese zu ihrem Projekt zu machen“. Aus Sicht von Wuttke ist es wichtig, dass die Anlagen im Eigentum der Bürger stehen und diese an den Gewinnen aus der Stromerzeugung partizipieren.

Was ist die besonders vorteilhafte Situation in Renningen?

Durch die Beschlüsse zum Klimaschutzkonzept ist die Stadt vielen Gemeinden ein gutes Stück voraus. Der Gemeinderat hat darin einstimmig beschlossen, dass er die Voraussetzungen für den Bau von 6 Windenergieanlagen in den nächsten 3 Jahren schaffen will.

Jasmina Hostert, SPD-Bundestagsabgeordnete, brachte mit ihrer Botschaft einen zweiten Vorteil auf den Punkt: „Gerade in Zeiten, in denen anderswo Initiativen gegründet werden, um Windräder zu verhindern und in Verruf zu bringen, hat es absoluten Vorbildcharakter, dass Sie, die Bürgerinnen und Bürger in Renningen, es selbst in die Hand nehmen, diese regenerative Energiegewinnung gewinnbringend in Ihrer Stadt zu etablieren. Hierfür haben Sie meine volle politische Unterstützung.“

In Renningen hat die Windparkinitiative innerhalb eines Jahres gezeigt , dass sie in der Lage ist, ein breites ehrenamtliches Engagement pro Windkraft zu organisieren. Bernhard Vetter und Jochen Burkhart stellten die Ergebnisse vor. Mit über 2.000 Arbeitsstunden sind die Voraussetzungen geschaffen, um eine GmbH & Co. KG zu gründen und mit einem Risiko-Kapital von 800.000 € die Genehmigungsphase für einen Windpark in Angriff zu nehmen. Eine Gruppe von rund 200 Interessenten steht für weiteres Engagement bereit.

Grundlage für die geordnete Planung von Windkraftanlagen sind die Ausweisung von Vorranggebieten im Regionalplan. Der Gemeinderat wird wohl noch im Januar zum vorliegenden Regionalplan offiziell Stellung beziehen. In der informellen Beratung Anfang letzten Jahres wurde der Planung schon grundsätzlich zugestimmt. Danach geht es um die Flächenvergabe an die Bürgerwind-Gesellschaft oder große Investoren.

Was bedeutet „echte“ Beteiligung der Bürger?

Marek Steiff sprach als Vertreter der S+H GmbH aus Buchen im Odenwald. Das S+H-Team ist 1995 als ehrenamtliche Bürger-Gruppe mit Windkraft-Projekten gestartet. Mittlerweile ist daraus ein regionaler professioneller Windenergie-Projektierer geworden, der mehr denn je auf Bürgerbeteiligung setzt und bereits viele Projekte umgesetzt hat.

Kennzeichnend für echte Beteiligung der Bürger ist die Entscheidungsmacht vor Ort, ebenso wie ein Großteil der Finanzierung und Ansprechpartner von der Genehmigungsphase bis zum Abbau. Lösungen werden insbesondere durch die enge Zusammenarbeit mit dem LRA als Genehmigungsbehörde, Projektierer und lokalen Interessenvertretern (z.B. Naturschützer) erzielt. Die Wertschöpfung durch Produktion und Verkauf des Stroms kommt über die gesamte Betriebsphase den Bürgern zugute. Wenn die Entscheidungsmacht in Bürgerhand liegt, kann man nach lokalen Interessen entscheiden. Bei großen Investoren bleibt den Gemeinden in der Regel nur eine Beteiligung von bis zu 49 %. Das erfordert einen erheblichen finanziellen Einsatz aus dem Haushalt der Stadt und gibt keine Entscheidungsmacht. 

Wie funktioniert eine Bürger-Windpark-Gesellschaft in Bürgerhand?

Für den Windpark in Bürgerhand muss eine Gesellschaft gegründet werden, in der sich zunächst eine Kern-Gruppe verbindlich organisiert. Die Stimmrechte richten sich nach der Kapitaleinlage. Für die Genehmigungsphase werden etwa 800.000 € – 1 Million € benötigt, die privat, in der Regel aus dem Gesellschafterkreis, zu finanzieren sind. Davon werden vor allem Gutachter bezahlt.

Für die Bauphase ist ein weit höheres Finanzierungsvolumen erforderlich – derzeit etwa 10 Millionen€ für jedes Windrad. Fremdkapital kann von lokalen Banken und über KfW-Darlehen einfließen. Sie setzen mindestens zwei Windgutachten voraus. Aber es muss auch Eigenkapital von 10-30 % aufgebracht werden. Hier können sich einzelne Bürger auch mit niedrigen Beträgen beteiligen. Für die Stadt Renningen bietet sich die Möglichkeit, größter Einzelgesellschafter zu werden.

Das Risiko für die Kapitalgeber ist zunächst hoch und sinkt insbesondere nach Vorliegen der Baugenehmigung deutlich. Es handelt sich um eine Kommanditgesellschaft, so dass das Verlustrisiko auf die Einlage beschränkt ist. Aus dem Gewinn der Windkraftanlagen wird ein festzulegender Anteil als sogenannter Windcent bereitgestellt, mit dem gemeinwohlorientierte Projekte in der Region gefördert werden sollen.

Müssen die Ehrenamtlichen den Bau und Betrieb des Windparks allein organisieren?

Die Agenda-Arbeitsgruppe Bürgerwind Heckengäu hat mit der Firma Uhl Windkraft einen kompetenten Partner ausgewählt. Dieser ist langjährig als Projektierer vor allem in  Baden-Württemberg und Bayern tätig und inhabergeführt. Gemeinsam ist man überzeugt, dass der Windpark bis 2027/2028 in Betrieb genommen werden könnte. Die Firma Uhl Windkraft ist auch bereit, Risiko mitzutragen und investiert dafür in zwei der fünf geplanten Windräder. Rechnerisch liegt die Mehrheit des Windparks mit 60% also bei den Bürgern. Somit bleibt der zu gründenden Gesellschaft Bürgerwind Heckengäu die Entscheidungsmacht erhalten. Die Kernteam- und Arbeitskreismitglieder arbeiten ehrenamtlich. Es ist geplant, dass jeder, der sich später beteiligt, die gleichen Rechte und Pflichten wie diese hat. Das Ergebnisaus den fünf Windenergieanlagen wird gepoolt und anteilsmäßig zwischen den beteiligten Bürgern und der Firma Uhl verteilt.

Können die Bürger direkt preiswerten Strom beziehen?

Die rechtliche Situation im Strommarkt lässt noch keinen direkten Verkauf des preiswerten Stroms an die Bürger zu. Die Bürger und die Stadtprofitieren durch eine Beteiligung am Gewinn mittels ihrer Einlagen, durch gewährte Nachrangdarlehen sowie durch Pachtzahlungen für Standortflächen an die Stadt. Als Gesellschafter können die Bürger über die Vermarktung des Stroms entscheiden. 

Die Folien aus unserem Vortrag zum Download